INTERVIEW MIT DR. ANDREAS BLÜHM

Der Journalist Dr. Thomas Köster im Interview mit Dr. Andreas Blühm, dem Direktor des Wallraf-Richartz-Museums in Köln.

Mit Fit fürs Museum haben Sie eine Art Gebrauchsanweisung fürs Museum geschrieben. Braucht man fürs Museum eine Gebrauchsanweisung?

Viele brauchen keine, aber manche vielleicht doch. Und manche wissen vielleicht gar nicht, dass sie eine brauchen, und merken es erst, wenn sie schon eine Weile im Museum sind. Dann wäre es natürlich schön, wenn man eine solche Gebrauchsanweisung schon in der Tasche hätte.

Für wen kann Ihre Gebrauchsanweisung nützlich sein?

Fit fürs Museum soll helfen, die erste Hürde zu nehmen und die Sache ein wenig lockerer angehen zu lassen. In Deutschland sind Museen ja als Bildungsinstitute verschrien, in denen man wissen muss, wer welches Bild gemalt hat und wie man die Künstlernamen ausspricht. Das ist grundverkehrt. Mein Buch ist auch eine Anweisung, einfach zu genießen. Und beim Genießen kann man Hilfestellungen geben. Das ist wie bei einem einzelnen Kunstwerk, bei dem es manchmal nützlich ist, wenn ein Experte ein bisschen mehr dazu verrät.

Was entgegnen Sie Museumsmuffeln?

Dass sie sich selbst das Brett vor die Augen nageln. Ich muss natürlich nicht alles schön finden im Museum. Aber alles ist interessant, und mit der richtigen Vermittlung kann ich selbst aus den ältesten akademischen Schinken noch etwas für mich herausholen. Das ist meine Überzeugung. Sollte mein Buch jemals einem Museumsmuffel in die Hände fallen, der beim Durchblättern oder Lesen zu einer ähnlichen Überzeugung kommt und ins Museum geht, dann wäre das wundervoll.

Kann ein Museumsbesuch glücklich machen?

Unbedingt! Ein Museumsbesuch kann glücklich machen, wie ein Konzert, eine Oper oder ein Fußballspiel ? letzteres je nach Ergebnis natürlich. Es kommt nur auf die Haltung des Besuchers an.

Welche Haltung macht denn fit fürs Museum?

Man sollte unbefangen sein und offen für das, was einen erwartet. Amerikanische Freunde von mir besuchten den Palazzo Pitti in Florenz. Da wurden sie von einem jungen Mädchen vor einem Bild, vor dem sie besonders lange standen, mit der Frage angesprochen: »Excuse me, is this a famous painting?« Das ist natürlich sehr traurig. Ich sollte mir ein Bild ja nicht ansehen, weil es berühmt ist, sondern weil es mir gefällt.

Warum haben Sie gerade dieses Buch geschrieben?

Weil ich leidenschaftlicher Museumsgänger bin. Und weil mich das Museum als Medium interessiert. Im Buch mache ich den zaghaften Versuch, alle Museumssparten zu erfassen und das Museum generell als Ort zu begreifen, der Menschen mit Objekten zusammenführt und ihnen hilft, etwas mit diesen Objekten anzufangen. Ob das eine Sparbüchse, eine Eisenbahn oder ein Rembrandt ist, ist letztlich egal. Ich zum Beispiel gehe gerne in technische oder naturkundliche Museen, weil ich da als Museumsmann mehr lernen kann. In einem Naturkundemuseum bin ich ja selber Laie und brauche eine Gebrauchsanweisung.

In Ihrem Buch ermuntern Sie Museumsbesucher zu dem Spiel, sich vorzustellen, welches Bild sie mit nach Hause nehmen würden. Welches Bild wäre das bei Ihnen?

Das Problem ist, dass ich mich immer wieder neu verliebe. Aber es sind auf jeden Fall immer kleinere, bescheidenere Sachen, die mich faszinieren. Als ich Ausstellungsleiter im Amsterdamer Van Gogh Museum war, war mein Lieblingsbild Kornfeld mit Lerche, das kaum jemand kennt. Aber ich will Lieblingsbilder nicht zuhause haben. Als Museumsdirektor will ich natürlich, dass sie jeder sieht.

Ihr schönstes Museumserlebnis?

Das wird nicht verraten.

19.05.2008
Veröffentlicht am: 30.03.2023